Zu dem am Freitag, 19. Juni 1998, der Öffentlichkeit vorgestellten Schlußbericht der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" des Deutschen Bundestages hat REMID am 19. Juni folgende Presseerklärung herausgegeben:
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Nicht in Aktionismus verfallen
Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" sind nicht durch die zweijährige Arbeit abgestützt.
Zum heute der Öffentlichkeit vorgestellten Endbericht der Enquete-Kommission "Sog. Sekten und Psychogruppen" nimmt der Vorsitzende des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes e. V. REMID wie folgt Stellung:
Die im Abschlußbericht der Kommission vorgestellten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen muß man mit einem lachenden und einem weinenden Auge kommentieren. Lachend, weil das zentrale Ergebnis der Kommissionsarbeit darin besteht, daß keine besonderen Gefahren von sog. Sekten ausgehen. Weinend, weil die Kommissionsmehrheit trotzdem weitreichende Handlungsempfehlungen formuliert hat, die genau das Gegenteil suggerieren. Damit schließt sich REMID in der Bewertung der Kommissionsarbeit dem Sondervotum von Bündnis 90/Die Grünen an.
Die größte Gefahr besteht jetzt allerdings darin, daß Lobbyisten und Politiker in Aktionismus verfallen und weitere Maßnahmen gegenüber "Sekten" fordern. Damit würde die notwendige Versachlichung im Umgang mit neuen religiösen Bewegungen Schaden nehmen. Daß die Kommission auch Strukturvertriebe und Pyramidenspiele in ihre Untersuchung aufgenommen hat, ist zusätzlich unverständlich, denn dies sind weder "Sekten" noch "Psychogruppen". Sie werden aber, was das Gefährdungspotential anbelangt, mit neuen religiösen Gemeinschaften in einen Topf geworfen. Die von der Kommission geforderte Differenzierung und der an sich zu begrüßende Vorschlag, das diskriminierende Wort "Sekte" nicht mehr zu verwenden, wird damit ad absurdum geführt.
Endeutig lehnt REMID eine Gesetzesinitiative zur Förderung privater Beratungsstellen ab. Der Staat kann sich nicht zum Finanzier von Sonderinteressen machen, sondern muß um religiöse Neutralität und Sachlichkeit seiner Informationspolitik bemüht sein. Die Beratungsarbeit im Bereich neue Religionen erfordert vielmehr ein Zusammenwirken von kirchlichen Stellen und öffentlichen, bspw. kommunalen Einrichtungen unter Zuhilfenahme psychologischer Fachleute, das im bestehenden Rahmen möglich ist.
REMID begrüßt hingegen die Einrichtung einer Mediationsstelle zur Klärung von etwaig auftretenden Konflikten im vorgerichtlichen Bereich. Die Arbeit dieser Stellen kann zudem für mehr Toleranz und Respekt gegenüber unterschiedlichen Glaubensformen beitragen.
Erfreulich ist, daß die Kommission einen großen Forschungsbedarf im Bereich neuer religiöser Bewegungen erkennt. Darauf haben nicht zuletzt Religionswissenschaftler immer wieder hingewiesen. Die im Laufe der Kommissionsarbeit angefertigten Studien, die leider nur unzureichend Eingang in den Endbericht gefunden haben, zeigen aber bereits heute Tendenzen auf, die die Grundaussage des Berichtes bestätigen - daß das Konfliktpotential im Bereich neuer religiöser Bewegungen nicht größer ist als in anderen Bereichen und daß die Qualität der Konflikte mit denen anderer sozialer Problemfelder, etwa in Ehe und Familie, vergleichbar ist. Trotzdem unterstützt REMID die Forderung nach mehr Forschung, die unseres Erachtens geeignet ist, dem derzeitigen Spuk der Sektenhysterie ein Ende zu machen, wenn es gelingt, die Ergebnisse dieser Forschung allen Lobbyisten zum Trotz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Steffen Rink, Vorsitzender