3.5 Psychomarkt
Alternative Therapiemethoden im Bereich der Esoterik, der sogenannten New-Age-Bewegung und die Lebenshilfeangebote neuer religiöser und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen hatten in den letzten Jahren immensen Zulauf zu verzeichnen. Sieben bis zehn Prozent aller Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt können dem Bereich "New Age und Esoterik" zugeordnet werden.
Es entwickelte sich ein "Psychomarkt", auf dem auch in Deutschland eine kaum mehr überschaubare Vielzahl an Heilverfahren angeboten wird. New-Age-Therapien, die sich mittlerweile marktorientiert und kommerziell organisiert haben, entwickelten sich aus dem "Psychoboom" der siebziger und achtziger Jahre mit einer Verbindung von Elementen westlicher Psychotherapie mit östlicher Religiosität und Esoterik. Die angebotenen Methoden versprechen so Unterschiedliches wie symptomunspezifische Heilung, Persönlichkeitsentwicklung, Sinnfindung und spirituelles Wachstum und sind überwiegend eingebettet in das Ideensystem der "New-Age-Philosophie", deren Kohärenz und religiöser Charakter in der Literatur kontrovers diskutiert werden.
Auf diesem Markt bewegen sich jedoch auch zahlreiche organisierte geschlossene Gemeinschaften, und zwar vor allem folgende Typen: Esoterische Gruppen, Geistheiler-Gemeinschaften und Neuoffenbarer mit vielen Erlebnis- und Heilungsangeboten, Gemeinschaften asiatischen Ursprungs mit Erlebnis-, Meditations- und Heilungsangeboten, sogenannte Psychogruppen mit Angeboten für die Persönlichkeitsentwicklung, mit sogenannten Erfolgskursen auf der Grundlage alternativer Psychotherapie usw. Nicht vertreten sind die sogenannten "klassischen Sekten" sowie Politgruppen.
Ähnlich wie "Psychogruppe" so dient auch der Begriff "Psychomarkt" zur Bezeichnung der "vielfältigen psychologischen und pseudopsychologischen Angebote zur Lebenshilfe, Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung außerhalb der fachlichen Psychologie und des Gesundheitswesens (vgl. 2.3), wobei hier marktförmig angeboten wird, was dort über Gruppen und Gruppenzugehörigkeit vermittelt wird. Diese Marktförmigkeit reicht von lockeren Angeboten über Print- und audiovisuelle Medien, den Buchmarkt, Vortragsveranstaltungen bis zu verbindlicheren Gestalten in Kursen, Workshops, Seminaren, Ferienfreizeiten etc., und sie kann, die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, d. h. Leiter/in mit Charisma, eine konkrete Gruppe, eine spezifische Doktrin und Praxis, in Gruppenzugehörigkeit, also in einer sogenannten "Psychogruppe" münden. Hier greifen die von R. Stark und W.S. Bainbridge eingeführten Unterscheidungen zwischen "audience" und "clients cults" auf der einen Seite, "cult movements" auf der anderen.
Der größere Teil dieses Psychoangebotes ist marktförmig, bewegt sich im Umfeld der "audience" und "clients cults", nur der kleinere Teil hat die Gestalt eines "cult movement" mit klaren Zugehörigkeitsgrenzen. Dabei kann es durchaus der Fall sein, daß "Psychogruppen" zugleich marktförmig auftreten, d. h. etwa über Kurse auch Teil des Psychomarkts sind, anfangs eher locker strukturierte Teilhaber des Psychomarkts sind (Scientology in der kalifornischen Anfangszeit) oder eine Entwicklung nehmen von der Gruppenförmigkeit zur Marktförmigkeit (z. B. die Bhagwan/Osho-Bewegung). Eine andere Kategorisierung wählt B. Grom, wenn er unterscheidet zwischen Gebrauchs-, Auswahl- und Systemesoterik und auf diese Weise mit dem Grad der Strukturiertheit zugleich den "Sitz im Leben" der Interessenten bezeichnet: Mit der Systematisierung wachsen Weltanschauungscharakter und Lebensverbindlichkeit, abnehmende Strukturiertheit verbindet sich mit geringerer Verbindlichkeit, bezüglich der Lebensentscheidungen wie bezüglich der "aus"-gewählten Angebote.
Die Methoden des Psychomarkts stammen aus vier unterschiedlichen Quellen:
1. Die großen esoterischen Systeme des 19. Jahrhunderts (z.B. Spiritismus, Theosophie), nicht zuletzt mit den Motiven des "New Age" und des anbrechenden "Wassermann-Zeitalters".
2. Die (Tiefen-)Psychologie, d. h. C.G. Jung, Teile der "Humanistischen Psycholo- gie" (A. Maslow u. a.), die sogenannte "Transpersonale Psychologie" (St. Grof u.a.) sowie Körpertherapien (z.B. Alexander Lowen) und viele andere psychologische oder pseudopsychologische Traditionen. Wichtig ist dabei einerseits die religiöse Interpretation von psychischen Prozessen (in diesem Zusammenhang sind auch, als Vorläufer, A. Huxley u. a. zu sehen, die religiös interpretierte psychische Prozesse durch Drogen herbeiführen wollen), andererseits die Psychosomatik, d.h. die Annahme einer psychophysischen Wechselbeziehung, wonach psychische Vorgänge und mit ihnen verbundene (religiöse) Erfahrungen physische Prozesse beeinflussen oder gar steuern.
3. Die Meditations- und andere bewußseinsverändernden Methoden aus großen Religionen, d.h. vor allem nichtchristlichen, insbesondere indischen und ostasiatischen Ursprungs.
4. Sogenannte archaische Religionen und Religiosität, zum Beispiel traditionelle Glaubensvorstellungen und -praktiken indigener Völker, wie den Schamanismus.
Für die Marktförmigkeit, d. h. den Psychomarkt, ist der oft eklektische Umgang mit den genannten Traditionen kennzeichnend. Es geht bei der durch Auswahl bestimmten Marktförmigkeit vor allem um Lebensbewältigung und Lebensbewältigungshilfe in Form konkreter Techniken, Methoden und Therapien. Dabei stellt sich einerseits die Frage nach der Fachlichkeit, in all ihren Aspekten (Qualifikationen der Anbieter, Validität der Angebote, Bezug von (Psycho-)therapie und Religion), zum anderen die Frage nach Wünschen und Bedürfnissen der "Klienten" (zum Beispiel Bewältigungsperspektive vs. Klärungsbedarf - siehe unten). Beide Fragen betreffen natürlich auch - und verstärkt - die sogenannten "Psychogruppen".
3.5.1 Fragestellungen und Hypothesen
Über die tatsächliche Wirksamkeit alternativer Therapieverfahren existieren bisher keine und über Bedürfnis- und Motivstrukturen der Interessenten wenig methodologisch stichhaltige Wirksamkeitsuntersuchungen.
Ausgehend von diesem Problem wurden aus einem Projekt über "Affinität zu alternativen Therapie- und Lebenshilfeangebote" folgende zentrale Hypothesen entwickelt:
- Bei der Affinität zu alternativen Therapieangeboten steht vor allem ein erhöhter Klärungsbedarf der Nutzer im Vordergrund und nicht primär die Aneignung von Bewältigungsstrategien,
- dieser erhöhte Klärungsbedarf wird durch alternative Angebote nicht abgedeckt, sondern eher noch verstärkt und hält den "Psychomarkt" in Gang,
- bei den alternativ (und spirituell) orientierten Therapien stehen eher globale Bedürfnisse im Vordergrund. Spezifische Problemlösungsstrategien (Bewältigungsperspektive) stehen hingegen im Vordergrund bei Standardtherapien, vor allem der Verhaltenstherapie.
Diese Hypothesen lassen sich in folgende Fragestellungen ausdifferenzieren:
- Welche Bedürfnisse, Motive werden durch alternative Therapie und Beratungsangebote angesprochen (Phase des ersten Kontakts)?
- Welche Bedürfnisse werden durch die Teilnahme an alternativen Angeboten subjektiv) abgedeckt oder auch erst geweckt?
- Welche Faktoren beeinflussen die Affinität zu alternativen Lebenshilfeangeboten?
- Wie wird eine Methode ausgewählt?
- Welche positiven oder negativen Auswirkungen werden von den Verbrauchern alternativen Lebenshilfeangeboten zugeschrieben?
- Welcher Zusammenhang besteht zwischen subjektiven physischen und psychischen Belastungen und der Methodenwahl?
- Welcher Zusammenhang besteht zwischen Einstellungen zu Religion, Spiritualität und Esoterik und der Nutzung alternativer Methoden?
- Was sind die Rahmenbedingungen des alternativen Therapiesettings (Anbieter, Therapiedauer, Kosten etc.)?
- Gibt es Unterschiede zwischen Alternativ-Nutzern in den alten und den neuen Bundesländern (Methoden, Ausgaben, Motive)?
3.5.2 Untersuchung über den alternativen Lebenshilfemarkt
Die Enquete-Kommission hat als Beitrag zur Klärung der offenen Fragen bezüglich des alternativen Lebenshilfemarkts eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie ist eingebettet in ein größeres Projekt zu "Spiritueller Erfahrung und Gesundheit", das gemeinsam von der Abteilung Klinische Diagnostik/Intervention und Klinische Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und dem Institut für Grenzgebiete der Psychologie in Freiburg durchgeführt wird. Zu diesem sogenannten Psychomarkt wurde bisher wenig geforscht, so daß dieses Unternehmen stark explorativen Charakter trägt.
Die Betätigung organisierter Gruppen auf dem sogenannten Psychomarkt legt nahe, daß ihre Angebote bei den Kunden und den spirituellen Suchern ähnliche Bedürfnislagen ansprechen wie die Angebote der in nicht geschlossenen Gemeinschaften organisierten Dienstleister. Aus den Ergebnissen eines Forschungsprojekts, das die Motivlagen und Wahrnehmungsmuster des Psychomarkt-Klientels erfaßt, sollten deshalb auch Schlüsse auf die Bedürfnisse der Menschen möglich sein, die von radikalen Gemeinschaften mit solchen Angeboten angesprochen werden können. Das Erfragen von Einstellungen zu Religion, Spiritualität und Esoterik sollte weiteren Aufschluß darüber ermöglichen, ob die Einordnung dieser Szene an den Rändern des Bereichs neuer religiöser und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen triftig ist oder nicht.
Die Studie faßt Ergebnisse einer Verbraucherbefragung von 219 Nutzern unkonventioneller Heil- und Lebenshilfemethoden aus ganz Deutschland sowie von 233 Anbietern dieser Verfahren aus dem Freiburger und dem Frankfurter Raum zusammen. Es handelte sich also um eine aus eigenem Interesse der Anrufenden vorausgewählte Stichprobe.
3.5.2.1 Verbraucher
Datenerhebung, Stichprobe
Die Studie hat mangels spezifischer zu diesem Bereich vorliegender Untersuchungen explorativen Charakter und wurde mit halbstandardisierten Telefoninterviews durchgeführt.
Um sicherzustellen, daß dem Ziel der Untersuchung entsprechend nur Personen teilnehmen, die eigene Erfahrungen mit alternativer Lebenshilfe gemacht haben, wurden Pressemeldungen mit genauer Beschreibung der Befragung verschiedenen Presseagenturen übermittelt sowie Kontakte mit Zeitungen, Zeitschriften und Radiosendern geknüpft. So wurde erreicht, daß in 44 Zeitungen und Zeitschriften sowie drei Rundfunk- und zwei Fernsehberichten Aufrufe veröffentlicht wurden, woraufhin sich Alternativ-Nutzer mit den Forschern in Verbindung setzen sollten. Auf den genauen Wortlaut der Presseberichte konnte jedoch kein Einfluß genommen werden. Die Interviews wurden zwischen Juni und Dezember 1997 durchgeführt.
Der Fragebogen enthält 61 Fragen. Bei der Nennung von negativen Erfahrungen mit einer Methode wurde das weitere Interview auf diese Methode fokussiert, ansonsten nach der Methode gefragt, mit der die meisten Erfahrungen gesammelt wurden.
Insgesamt gingen 385 Anrufe ein, durchgeführt wurden 280 Interviews, 61 Personen wurden ausgeschlossen, weil sie entweder nur Erfahrungen mit Standardtherapiemethoden hatten, selbst Anbieter waren und keine eigenen Erfahrungen hatten, nicht darüber berichten wollten oder mehr als 10 Fragen unbeantwortet gelassen hatten. 219 Anrufe konnten ausgewertet werden, darunter waren auch Anrufende, die an berufsbezogenen "Persönlichkeitstrainings" teilgenommen hatten, diese 19 Anrufe wurden getrennt ausgewertet.
Der Fragebogen behandelt folgende Themenbereiche:
- Positive und negative Erfahrungen mit alternativen Methoden,
- Informationsquellen für den Erstkontakt,
- Setting und Kosten des Angebots,
- Ausgaben für alternative Verfahren,
- Anlaß für die Beschäftigung mit der Methode,
- Subjektive Einschätzung der Wirksamkeit der Methode und der Kompetenz des
Anbieters,
- Subjektiv wahrgenommene Veränderungen bedingt durch eine alternative Methode
- Information des behandelnden Arztes,
- Bekanntheit alternativer Verfahren,
- Parallel oder früher durchgeführte Psychotherapie,
- Lebenszufriedenheit,
- Psychische Belastungen,
- Einstellung zu Religion, Esoterik und Spiritualität,
- Soziodemographische Merkmale.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Von den befragten Personen sind mehr als 80 % subjektiv zufrieden mit der alternativen Lebenshilfe und zwei Drittel sind weiblichen Geschlechts. Sie weisen ein überdurchschnittliches Bildungsniveau auf, sind häufiger aus der Kirche ausgetreten als der Durchschnitt der Bevölkerung, haben häufig bereits eine psychotherapeutische Behandlung absolviert (51 %) und geben im Jahr ca. 2 000,- DM für alternative Methoden aus. Der Rangfolge der Häufigkeit nach sind die am häufigsten genannten Anlässe sich alternativen Methoden zuzuwenden: psychische Probleme mit 28 %, körperliche, funktionelle Beschwerden mit 22 %, psychosomatische Beschwerden mit 22 %, soziale Probleme mit 14 %, Wunsch nach Veränderung der eigenen Person und Selbsterfahrung mit 14 % sowie die Suche nach Sinn und Bewußtseinserweiterung mit 13 %.
Hinweise aus dem Bekanntenkreis sowie Empfehlungen eines Arztes oder Psychologen stehen häufig am Anfang der Hinwendung zu einer alternativen Methode.
Ergebnisse im einzelnen:
Erfragte Methoden
Von den 200 Anrufenden wurden Erfahrungen mit 104 Methoden genannt, aus denen nach funktionsmäßiger Ähnlichkeit fünf Kategorien gebildet wurden:
- Esoterische Heilmethoden (z.B. Reiki, Kinesiologie, Bach Blüten-Therapie)/ Unkonventionelle Deute- und Okkultpraktiken (z.B. - Astrologie, Pendeln, Kartenlegen, Tarot),
- Körper- und Bewegungsverfahren (z.B. Yoga, Qigong, Feldenkrais, Bioenergetik),
- Unkonventionelle medizinische Richtungen (z.B. Naturheilverfahren, Akupunktur, Homöopathie),
- Meditation/spirituell psychologische Verfahren (z.B. Zen-Meditation, Chakrenarbeit, Transzendentale Meditation),
- etablierte Therapieverfahren (z.B. Gestalttherapie, Autogenes Training, Neurolinguistisches Programmieren).
Soziodemographische Angaben
Geschlecht: Über zwei Drittel der Anrufenden waren weiblichen Geschlechts (69 %), das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre (mit einem Streubereich von 16 bis 84), das Bildungsniveau ist sehr hoch, 55,5 % haben Abitur, 29,5 % Realschulabschluß und nur 13 % Hauptschulabschluß. Der Anteil der Nichterwerbstätigen und Arbeitslosen ist hoch (25,5 % und 13,5 %), teilweise hängt dies mit dem hohen Frauenanteil zusammen. Genauere Angaben zur Berufstätigkeit und zum sozioökonomischen Status fehlen leider.
Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt sind die Anrufenden häufiger geschieden, seltener verheiratet oder verwitwet. Die Mehrheit der Befragten lebt mit einem Partner zusammen (55,5 %). Über zwei Drittel der Partner nimmt an der alternativen Methode teil oder findet die Teilnahme gut (35 % und 34,5 %).
Diese Angaben stimmen weitgehend mit den Ergebnissen anderer, auch internationaler Untersuchungen, überein. Zu tendenziell gegenläufigen Ergebnissen kommt Andritzky bei Besuchern von Kursen im Bereich der Erwachsenenbildung.
Zugangswege
Am Anfang der Hinwendung zu einer alternativen Methode stehen weit vor allem anderen Hinweise aus dem Bekanntenkreis (53,5 %), gefolgt von Empfehlungen eines Arztes oder Psychotherapeuten (15 %). Im Vergleich dazu spielt Information (über Spartenzeitschriften 3 %) oder Eigenwerbung der Anbieter (1,5 %) eine verschwindend geringe Rolle. Etwas größere Bedeutung hat die Weiterempfehlung durch andere Anbieter (11 %).
In der Regel zielt die Empfehlung nicht auf eine bestimmte Methode, sondern auf einen bestimmten Therapeuten.
Anlaß und Motivation
In der Literatur werden als häufigste Motive Unzufriedenheit bzw. Enttäuschung bezüglich schulmedizinischer/konventioneller Behandlung genannt und die Überzeugung, daß die alternativen Methoden hilfreich seien. Die Hälfte der befragten Alternativ-Nutzer hat im Laufe des Lebens mindestens eine - in der Regel von der Krankenkasse erstattete - psychotherapeutische Behandlung hinter sich oder befindet sich noch in einer solchen.
Ein weiteres Motivbündel ist der eher unspezifische Wunsch nach Veränderung, Beziehungsklärung und "Bewußtseinserweiterung". Für diesen Klärungsbedarf wird der Schulmedizin keine Kompetenz zugesprochen bzw. auch nicht erwartet.
Subjektive Zufriedenheit
Die subjektive Bewertung fällt allgemein gesehen sehr positiv aus: 83 % der Anrufenden berichteten von einer Besserung ihres Problems. Auch dies steht in Übereinstimmung mit Ergebnissen internationaler Studien. Besonders gut bewertet wurden die meditativen Techniken. Auch dies ist ein Ergebnis, das z. B. in der breit angelegten Evaluationsstudie von Grawe, Donati und Bernauer bereits festgehalten wurde.
Weitere Bewertungsfaktoren der Verbraucher stellten die Angaben über die Qualität der Beziehung zum Alternativanbieter dar. Auf die Frage nach der persönlichen Kompetenz des Anbieters gaben die Nutzer im Durchschnitt eine 1,1 (S. 21), während die häufig davor konsultierten Psychotherapeuten durchschnittlich lediglich mit 2,3 (Schulnoten von 1 bis 6) bewertet wurden.
Der durchschnittliche Kontakt mit dem Alternativanbieter dauert gut eine Stunde und damit wesentlich länger als die meisten Arztbesuche. Die Patienten begegnen dem Alternativpraktiker oft von vornherein mit einer enthusiastisch-positiven Einstellung.
In einer älteren Sekundäranalyse wird berichtet, daß der Alternativpraktiker patienten-orientierter sei.
Einstellung zu Religiosität
Auf die Frage nach der Religionszugehörigkeit gaben 51,5 % an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, 35 % nannten die evangelische Kirche, 10,5 % die katholische. 40 % haben im Laufe ihres Lebens eine Religionsgemeinschaft verlassen, 24 % gehörten einmal der evangelischen, 14,5 % der katholischen Kirche an. Diese Abwanderung aus traditionellen Formen der Religiosität, geht nicht einher mit Desinteresse am Religiösen: Auf die Frage nach ihrer Glaubenseinstellung bezeichnen sich 62 % als "gläubig" oder "spirituell", 12,5 % als "esoterisch" und 12 % als "atheistisch".
Auf die Frage nach wichtigen Einflüssen auf die heutige Weltanschauung werden das Christentum mit 43 %, der Buddhismus mit 29,5 %, der Hinduismus mit 13 %, das Judentum mit 8 % und der Islam mit 7 % genannt. Die Zahlen zwischen Ost und West unterscheiden sich so erheblich, daß hier auch die Werte für das Christentum im Westen (55 %) und im Osten (26 %) sowie für den Buddhismus im Westen (41,4 %) und im Osten (12 %) wiedergegeben werden.
Eine Untersuchung zur alternativen Gesundheitskultur erbrachte das Ergebnis, daß zwar allgemeines Interesse als Motiv für die Kursteilnahme am häufigsten angeführt wird, aber die Angebote problemspezifisch aufgesucht werden und das Gesundheitsverhalten generell durch einschlägige Ideensysteme gesteuert wird.
Qualifikation der Anbieter
Beim Blick auf die beim Verbraucher erfragte Qualifikation der Anbieter wird deutlich, daß sich der formelle und der informelle Gesundheitssektor überlappen. Nach den Angaben der Anrufenden waren 20 % der konsultierten Behandler Ärzte, ca. 12 % Diplom-Psychologen und 15 % Heilpraktiker. Die Mehrzahl der Anwender (rund 54 %) gehörten nicht in eine dieser drei Gruppen.
Kosten
Die durchschnittlichen der in der Studie erhobenen Ausgaben für die Nutzung alternativer Therapieverfahren lagen bei 1.952,- DM pro Jahr. Am meisten gaben die Nutzer von Körpermethoden aus (4.650,- DM/ 93,- DM). Am wenigsten die Nutzer alternativer Medizin (1.044,- DM/ 60,- DM), dazwischen lagen die Nutzer esoterischer Methoden (1.523,- DM/ 111,- DM) und von solchen aus dem Bereich Meditation/Spiritualität (2.119,- DM/ 280,- DM). Die zweite Angabe in der Klammer bezieht sich auf die durchschnittlichen Preise für eine Stunde.
Abnehmer berufsbezogener Persönlichkeitstrainings
Seminare für Persönlichkeitstraining erfreuen sich sowohl im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklungsarbeit als auch bei privaten Verbraucher großer Beliebtheit. Weit über 1000 Anbieter werden bundesweit diesem Markt zugerechnet.
Gerade Führungskräften wird vermehrt zugemutet, diffuse Fertigkeiten wie Intuition, Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Konfliktfähigkeit zu erwerben und deren Anwendung wird in einen Zusammenhang mit ihrem Erfolg gestellt. Über die Wirksamkeit und Risiken persönlichkeitsorientierter Trainings liegen kaum zuverlässige Ergebnisse vor, Micklethwaith und Woolridge sehen denn den Sinn dieser neuen Management-Techniken vor allem darin, die in den höheren Führungsetagen umgehenden Angstgefühle zu reduzieren.
Ein kleiner Teil der Anrufenden (19 Personen) berichtete von der Teilnahme an berufsbezogenen Persönlichkeitstrainings und wurde nach den Erfahrungen, Motiven und Rahmenbedingungen für die Kurse sowie den Auswirkungen und Veränderungen befragt.
Ein Drittel dieser Anrufenden hatte schon mehr als fünf Seminare besucht. 15 der Befragten bekundeten "eher positive Erfahrungen" gemacht zu haben, die anderen erlebte die Seminare "gemischt" oder eher "negativ".
Für eine gezieltere Einschätzung wurden die Anrufenden gebeten, ein Seminar auszuwählen, dem sie den nachhaltigsten Eindruck zuschrieben. Darauf beziehen sich die nachfolgenden Ergebnisse:
Rahmenbedingungen: Alle angegebenen Kurse dauerten mindestens zwei bis drei Tage. Ungefähr zwei Drittel hatten eine Dauer von mehr als drei Tagen. Für die Wirksamkeit wurde vor allem auch die Umgebung verantwortlich gemacht, die mit Verzicht auf Komfort, Selbstversorgung oder auch Verbot von Alkohol, Zigaretten, Telefon und Abgeschiedenheit der Gruppe beschrieben wurde. Auch die Schönheit der umgebenden Natur wurde immer wieder erwähnt.
Die damit geschaffenen Lebensbedingungen waren jedoch für manche auch Auslöser für eine sofortige Ablehnung des Seminars.
Kosten: Im Durchschnitt wurden für die Seminare 3.000,- DM ausgegeben. Diese Kosten wurden für ca. zwei Drittel der Teilnehmer von ihrer Firma getragen. Über die Hälfte besuchte die Seminare überhaupt erst auf Veranlassung des Unternehmens.
Motive und Erwartungen: Trotz der starken Unternehmenseinbindung gaben etwa drei Viertel der Anrufenden an, daß es einen persönlichen Anlaß für den Seminarbesuch gegeben habe. Berufliche Umstrukturierung oder Neuorientierung spielten dabei ebenso eine Rolle wie private Beziehungsprobleme oder persönliche Krisen. Dieses Vorhandensein eines starken Klärungsbedarfs wäre vor dem Hintergrund des mittleren Lebensalters genauer zu prüfen. Die Aussage aus einem Interview: "Irgendwie waren die alle um die Vierzig, hatten alles erreicht, so karrieremäßig und man hatte das Gefühl, die suchten alle irgendwie nach dem Sinn" veranschaulicht diese Befindlichkeit.
Methoden: Auffällig ist eine große Bandbreite von Methoden und eine Kombination aus verschiedenen Methoden. Eine Einordnung der Seminare aufgrund bestimmter theoretischer Schulen, wie es im Psychotherapiebereich möglich ist, kann kaum vollzogen werden. Im Vordergrund stehen Selbsterfahrungsaspekte sowie der gruppendynamische Prozeß.
Auswirkungen und Veränderungen: Nach ihrer Selbstauskunft sehen die Kursteilnehmer die stärksten Auswirkungen in der Stärkung ihres Selbstvertrauens, der auf der vermittelten Handlungszuversicht und einem bewußteren Umgang mit sich und anderen beruht. Dies ist wiederum Grundstein für eine Reihe von Folgeveränderungen im Bereich der Entscheidungsfreudigkeit, des Durchstehens von Konflikten oder auch des Eingehens auf Mitarbeiter. Vor allem arbeiten die Betreffenden aufgrund der vielfältigen Anregungen später weiter an sich.
3.5.2.2 Anbieter
Bei der Untersuchung der Anbieter war lediglich ein Ausschnitt des gesamten Marktes, nämlich die Szene der spirituellen "New-Age-Therapien" und Esoterikangebote, die sogenannte "Psychoszene" Gegenstand des Forschungsprojekts. Dazu wurden Daten in Freiburg und Frankfurt erhoben und ausgewertet. Die Anbieter wurden hinsichtlich ihrer soziodemographischen Daten, ihrer Tätigkeit und deren Rahmenbedingungen, ihrer Klientel, ihrer Methoden und ihrer religiösen bzw. spirituellen Einstellungen befragt.
Es wurden keine neuen religiösen und ideologische Gemeinschaften angeschrieben. Solche Gruppen werben auch kaum offen in der Szene. Mittels Fragebogen wurde jedoch erfaßt, ob der Einzelanbieter einer solchen Gruppe angehört bzw. ihr nahesteht. Die Stichproben wurden auf der untersten, der privaten Organisationsebene gewonnen und daraufhin untersucht, ob eine gemeinsame Identität und Vernetzungen der Anbieter in weltanschaulichen Ausrichtungen und Gemeinschaften vorliegen.
Datenerhebung
Mit Hilfe von Prospekt- und Anzeigenanalysen konnten 1996 rund 280 Anbieter im Raum Freiburg und 1997 ca. 480 Anbieter im Raum Frankfurt ermittelt und angeschrieben werden. Die Rücklaufquote lag in Freiburg bei knapp 40 %, in Frankfurt bei 25 %. Im Hinblick auf die Ergebnisse der Prospektanalysen erweisen sich die beiden Teilstichproben als repräsentativ, was das Methodenangebot und die Verteilung der Geschlechter angeht. Insgesamt haben sich 233 Anbieter an der Fragebogenstudie beteiligt, 111 Freiburger und 122 Frankfurter.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Nach dieser Erhebung arbeiten die Anbieter mit einem Konglomerat von durchschnittlich acht bis neun Methoden, die zumeist aus verschiedenen Bereichen stammen: ca. 80 % schöpfen aus dem Fundus der unzähligen Körpermethoden, etwa drei Viertel arbeiten mit bewußtseinsverändernden Techniken, fast die Hälfte verwendet kreative Methoden, esoterische Heilverfahren oder esoterische Deuteverfahren, 20 % bieten auch Hilfe durch außergewöhnliche mediale Fähigkeiten an. Mit Clusteranalysen konnten neben einem ausgesprochen eklektischen Anbietertyp fünf weitere Typen mit einem spezifischeren Methodenspektrum gefunden werden: esoterische Deutung, alternative Heilung, Körpertherapie, Psychotherapie, oder meditative Selbsterfahrung.
Die Untersuchung zeigt weiter, daß die Mehrzahl der Anbieter die traditionellen Kirchen verlassen haben. Die Befragten weisen eine Affinität sowohl zu alten religiösen Traditionen als auch zu modernen spirituellen Lehren auf, ohne dabei eine feste weltanschauliche Bindung zu entwickeln, nur selten findet sich ein konkreter Bezug zu Gurus wie Osho oder Sai Baba. Es gibt einige gemeinsame religiös-spirituelle Leitideen, die sich in wenigen Punkten zusammenfassen lassen: die Befragten sind überzeugt von der Existenz einer höheren Wirklichkeit, die das gewöhnliche Bewußtsein übersteigt und von der Möglichkeit, daß diese mit Hilfe bestimmter Methoden erfahren werden kann.
Ergebnisse im einzelnen:
Soziodemographische Merkmale
Der Frauenanteil beträgt durchschnittlich 67 %, der Altersdurchschnitt liegt bei 43 Jahren. Gut die Hälfte der Anbieter lebt mit einem (Ehe-) Partner zusammen, verheiratet sind 37 %, mit 26 % ist der Anteil der Geschiedenen hoch. 55 % der Befragten haben Kinder.
Etwa die Hälfte verfügt über einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluß, ein Drittel hat einen Humandienstleistungsberuf gelernt: 21 % kommen aus pädagogischen Berufen (Erzieher, Lehrer, Heil- und Sozialpädagogen, Sozialarbeiter), 12 % aus Pflegeberufen (Kranken- und Altenpfleger, Krankengymnasten, Sportmasseure) und 4 % sind Diplom-Psychologen. Bedingt durch die Herangehensweise (Sammlung von Werbebroschüren und Annoncen) ist der Anteil der professionellen Heilberufe (Ärzte und Diplom-Psychologen) sehr begrenzt. Ein weiteres Drittel hat einen kaufmännischen Beruf erlernt, die übrigen verteilen sich auf sehr viele verschiedene Berufssparten.
Durchschnittlich übten die Anbieter ihre Tätigkeit seit 8,5 Jahren aus, das Minimum liegt bei 4 Monaten, das Maximum bei 26 Jahren. Fast 60 % der Befragten arbeiten durchschnittlich 31 Stunden im Monat, die übrigen 40 % sind mit geringeren Stundenzahlen und daher wahrscheinlich nur nebenberuflich auf dem Psychomarkt tätig. Der größte Teil dieser "Teilzeitanbieter" arbeitet die andere Zeit in einem Angestelltenverhältnis.
Insgesamt war die Hälfte der Anbieter vormals als Angestellte und 20 % als Selbständige tätig, der übrige Teil stammt aus anderen Beschäftigungstellen bzw. war ohne Anstellung.
Werbung, Information, Zugang
Im wesentlichen profitieren die meisten Anbieter von der Mundpropaganda ihrer Klienten (92 %) und der Vermittlung durch andere Anbieter (72 %). Mehr als die Hälfte der Anbieter rekrutiert seine Teilnehmer bzw. Klienten gelegentlich oder auch öfter aus dem Bekanntenkreis. Genauso viele stellen häufiger private Kontakte zu Teilnehmern bzw. Klienten her, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit kennenlernen.
Die Anbieter werben jedoch auf unterschiedlichste Arten für ihre Arbeit: mit Aushängen und Prospekten in Bio- und Buchläden (65 %), speziellen Info-Zeitschriften der regionalen Esoterikszene (56 %) und Kleinanzeigen in allgemeinen Anzeigenlättern (52 %). Überregionale Zeitschriften wie z.B. "Esotera" oder "Connection" spielen eine untergeordnete Rolle (27 %). Etwa ebensoviele sind im Branchenbuch zu finden (25 %).
Rahmenbedingungen
Mehr als die Hälfte der Anbieter arbeitet in einer eigenen bzw. einer Gemeinschaftspraxis (55 %). Etwa ein Drittel nutzt Räume in der Privatwohnung (37 %), fast ebensoviele mieten kurzfristig Räumlichkeiten an (31 %), z.B. für Wochenendworkshops. Neben Angeboten in Volkshochschulen (18 %) und Heilpraktikerschulen (11 %) wird auch im Freien gearbeitet. Da hier Mehrfachnennungen möglich waren, ergibt sich eine Prozentsumme über hundert.
Klientel, Störungen
Nach den Angaben der Anbieter besteht ihr Klientel insgesamt zu 73 % aus Frauen, 45 % sind Akademiker oder Studenten. Die Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren stellt etwa 40 %, nur 20 % sind jünger. Diese Ergebnisse harmonieren mit denen früherer Studien.
Die Probleme der Klienten wurden in der Frankfurter Stichprobe genauer erhoben: 41 % der Anbieter geben an, oft Klienten zu haben, die mit dem Wunsch nach "neuen Erfahrungen" kommen, nicht aber wegen bestimmter Schwierigkeiten. 16 % haben nach eigener Aussage immer solche Teilnehmer. Ansonsten stehen bei den Klienten Verspannungen, Rückenprobleme, Ängste, Depressionen und Partnerschaftsprobleme ganz oben auf der Problemliste.
Methoden
Im Durchschnitt arbeitet jeder Anbieter in Freiburg mit sieben, in Frankfurt mit zehn Verfahren bzw. Techniken. Etwa drei Viertel der Befragten kombinieren regelmäßig die von ihnen ausgeübten Methoden innerhalb einer Unterrichtseinheit bzw. Beratung oder Behandlung. Das Repertoire dieser Methoden läßt sich in sieben Hauptbereiche einteilen: Körpermethoden, Psychotechniken, esoterische Heilverfahren, Psychotherapieverfahren, kreative Methoden, esoterische Deuteverfahren, außersinnliche Wahrnehmung.
Die größte Bedeutung haben Körpermethoden und Psychotechniken (z.B. Trance, Meditation, Imagination), die von drei Vierteln der Anbieter eingesetzt werden. Es folgen esoterische Heilverfahren (z.B. Reiki, Bachblüten, Edelsteintherapie) und Psychotherapieverfahren (z.B. Gestalttherapie, Gesprächstherapie, Psychodrama), die von etwa der Hälfte der Befragten angewandt werden. Kreative Methoden (wie Tanzen, Malen, Musizieren) und esoterische Deutemethoden (z.B. Astrologie, Tarot) sind etwas weniger vertreten. Mit außersinnlichen Wahrnehmungen (z.B. Telepathie, Hellsehen, Channeling) zu arbeiten, geben etwa 20 % an.
Ausbildung und Qualifikation
Bei den Formen der Aneignung lassen sich große regionale Unterschiede erkennen. Im Schnitt geben etwa doppelt so viele Frankfurter wie Freiburger Anbieter an, sich selbst ausgebildet zu haben. Bei beiden ist die Selbstausbildungsquote bei esoterischen Deuteverfahren (zwischen 40 % und 60%) und außersinnlicher Wahrnehmung (zwischen 63 % und 77 %) sehr hoch. In Frankfurt ist die Ausbildung bei Privatlehrern verbreiteter als in Freiburg. Die Freiburger zeigen relativ hohe Quoten bei der Ausbildung durch Institute.
Gut ein Drittel der Frankfurter Anbieter verfügt über einen Heilpraktikerzulassung, in Freiburg wurden zu dieser Frage keine Daten erhoben.
Verbindung zu Religion, Spiritualität und Esoterik
Die Mehrzahl der Anbieter ist aus der Kirche ausgetreten. Nur ein Drittel hat eine christliche Konfession (17 % evangelisch, 14 % katholisch), 10 % geben andere Religionszugehörigkeiten an. Insgesamt sind damit 60 % der Befragten ohne eine formelle religiöse Bindung.
Übergeordnete religiöse Affinitäten bzw. Orientierungen an traditionellen Vorbildern konnten jedoch mit Hilfe einer Faktorenanalyse zwei Gruppen zugeordnet werden. Die erste umfaßt Einstellungen aus dem Bereich des Buddhismus, Taoismus, Tantrismus und Schamanismus. Die zweite Gruppe umfaßt Einstellungen aus Christentum, christlicher Mystik, Judentum und Kabbalah. Angaben zur Orientierung zu Sufismus und Richtungen des Hinduismus lassen sich den beiden Gruppen nicht eindeutig zuordnen. Allerdings lassen sich nur jeweils 20 % der Anbieter einer dieser Gruppen zuordnen, während schon im voraus 10 % angeben, daß überhaupt keine traditionelle Religion für ihre heutige Weltanschauung maßgeblich ist.
Für 83 % der Befragten sind neuere religiöse, spirituelle oder psychologische Richtungen von Belang für die persönliche Weltanschauung. Als Einflußgrößen in den unterschiedlichsten Kombinationen werden für den Raum der Studie genannt:
C.G. Jung (24 %), Baghwan/Osho (16 %), die Anthroposophie (15 %), die Transpersonale Psychologie (12 %), Sai Baba (11 %), Krishnamurti und Wilhelm Reich (je 5 %). Über 150 andere Nennungen lagen unter 5 %. Diese Verteilung spiegelt jedoch lokale Besonderheiten wider, aus anderen Untersuchungen sind andere Verteilungen bekannt.
3.5.3 Probleme, Gefahren, negative Erfahrungen
a) Ergebnisse der Studie
Der Versuch, im Laufe der in Auftrag gegebenen Studie Kenntnisse über negative Erfahrungen der Verbraucher mit dem alternativen Lebenshilfemarkt zu erlangen, war nicht ergiebig. Obwohl in den Anzeigen auf negative Erfahrungen angesprochen wurde und eigene Telefonleitungen dafür eingerichtet wurden, meldeten sich darauf zwar eine Reihe von Journalisten, aber keine Verbraucher. Ausgewiesene Sozialforscher halten die Gewinnung negativ gefärbter Daten auf diesem Wege durchaus für möglich. In anderen Telefonbefragungen, etwa zu Erfahrungen mit medizinischer Behandlung sind durchaus negative Berichte über Heilbemühungen und die Behandlung durch medizinisches Personal zutage gekommen, so daß die Methode der Ansprache über Anzeige und der telefonischen Befragung nicht von vornherein für das Ausbleiben negativer Berichte verantwortlich gemacht werden kann.
Allerdings sind einer Einzelbefragung methodisch deutliche Grenzen gesetzt. Eventuelle Folgen für Familien oder das soziale Umfeld sind auf diesem Weg nur unzulänglich erkennbar. Zwar wurde von den meisten Verbrauchern von einer hohen Akzeptanz gegenüber diesen Methoden in ihrem sozialen Umfeld berichtet, aber es wurden auch Anrufe von Angehörigen aufgenommen, die über Entfremdungserscheinungen in der Folge der Anwendung solcher Methoden berichteten. Diese konnten jedoch aufgrund des Zuschnitts des Fragebogens auf Verbraucher nicht ausgewertet werden.
Interpretiert man das Ergebnis dieser Studie, sagt es wahrscheinlich mehr über die Verbreitung der Akzeptanz gegenüber diesen Angeboten aus, als über objektive Wirkungen ihrer Methoden und zeigt, wie schwierig es ist, Konflikte direkt mit den Methoden in Verbindung zu bringen bzw. unabhängig von anderen Konflikten zu sehen.
b) Ergebnisse anderer Studien und eines Expertengesprächs der Enquete-
Kommission
In anderen Untersuchungen wird allerdings auf Gefahrenpotentiale hingewiesen. So stellen die Gutachter Niebel und Hanewinkel fest, daß manche Meditationstechniken bei Langzeitmeditierenden Eingriffe in Hirnfunktionen provozieren könnten, die epilepsieähnliche Muster aufwiesen. Bei ohnehin ängstlichen Patienten könne es vermehrt zu entspannungsinduzierter Verstärkung von Angstgefühlen kommen.
Spezifische Nachfragen zur Dynamik und den Auswirkungen sogenannter "Psychotechniken" und ihren tiefenpsychologischen Wirkfaktoren, die im Rahmen verhaltenstherapeutisch ausgerichteter Trainings- und Beeinflussungmethoden angewandt werden, ergab,
- daß im zeitlichen Zusammenhang mit sogenannten "Psychotrainings" akut auftretende desintegrative Ich-Zustände vorkommen können, die im Zusammenhang mit der "Dauerexposition in Gruppen" im Zuge derartiger Schulungen zu sehen sind und deren Auftreten die diagnostische Anwendung des relativ neuen Begriffs der "vorübergehend akut psychotischen Störung" (ICD 10, WHO 1991) rechtfertigt. Diese massiven, im Einzelfall extrem destabilisierenden Erfahrungen sind allerdings relativ selten,
- daß die Kombination von kognitiv-verhaltenstherapeutischen und Hypnose- und Suggestivtechniken Wirkungen im Sinne von veränderten Bewußtseinszuständen mit Dissoziation des Ich-Bewußtseins und der inneren Bewertung eintreten, die dauerhafter sind als Effekte, die durch einfaches Konditionieren erzielt werden,
- daß im Gefolge von Ausstiegen schwere psychische Dekompensationen beschrieben werden, die z.T. von langer Dauer sind und als existentiell bedrohlich erlebt werden. Derartig massive Selbstwertkrisen sind unter klinisch-psychologischen Gesichtspunkten als chronifizierte Persönlichkeitsveränderungen zu verstehen. Damit werden Anpassungsleistungen an die Umgebung beschrieben, die bis zu einem Verlust der eigenen inneren Werte, den individuellen Bedürfnissen und der Körperwahrnehmung gehen.
Zinser, Schwarz und Remus machen in ihrer Untersuchung über traditionelle Religiöse, Neureligiöse, Esoteriker und Nichtreligiöse darauf aufmerksam, daß zahlreiche psychologische Annahmen über Mitglieder und Anhänger neuer religiöser Bewegungen oder in der Esoterik eine unzureichende empirische Grundlage hätten und auf der Basis einer Auswahl von Personen zustande gekommen seien, die Probleme mit ihrer neuen Orientierung hätten und deshalb in psychotherapeutische Behandlung gingen oder "ausgestiegen" seien.
Insgesamt müssen bei der Bewertung der zur Verfügung stehenden Literatur die Kriterien von Wissenschaftlichkeit und Objektivität beachtet werden. In einer Bibliographie zu Yoga und Meditation können beispielsweise von 1021 Veröffentlichungen lediglich 210 als unabhängige Originalarbeiten bezeichnet werden.
3.5.4 Fazit
Im Sinne einer verantwortlichen Praxis in Medizin, Psychologie und verwandten Bereichen besteht ein dringender Bedarf nach überprüfbaren Studien mit erweitertem Fragenkatalog. Besondere Beachtung sollte hierbei den initiierenden und aufrechterhaltenden Motivations- und Bedürfnisstrukturen (vor allem Sinnfragen, existentieller Klärungsbedarf) geschenkt werden. Die von den Nutzern und Anbietern subjektiv wahrgenommene Effektivität im Vergleich zu anderen medizinischen und psychologischen Methoden sollte einer empirischen Überprüfung unterzogen werden.
Derartige Studien werden aktuell z.T. bereits durchgeführt, die Durchführung weiterer Untersuchungen wird von der Enquete-Kommission begrüßt und empfohlen (siehe dazu Kap. 5.1.7 und 6.2.9).
In bezug auf unkonventionelle Verfahren bedeutet dies, daß eine gezieltere Auseinandersetzung mit problematischen Erfahrungen und somit den Problembereichen der Methodik, der Ausführung, der diagnostischen und methodischen Verantwortlichkeit und der Qualitätssicherung stattfinden sollte. Bei der vorliegenden Verbraucherstichprobe ist z.B. sichtbar geworden, daß gerade esoterisch-magische Methoden von vielen Nutzern frequentiert werden, die über starke psychische Probleme berichten. Nach den Ergebnissen der Anbieterstudie ist zumindest fraglich, ob alle alternativen Anbieter über entsprechende Qualifikationen verfügen.
Für die Probleme, die von unsachgemäßen Anwendungen und bei ungeeigneten Klientengruppen ausgehen können, wird das geplante Lebenshilfebewältigungsrecht Vorkehrungen zur Verfügung stellen, diese zu minimieren (s. Kap. 5.5.5.3 und 6.2.2.3).
Die Institutionen des formellen Sektors des Gesundheitsbereichs sollten beim Blick auf den informellen Sektor berücksichtigen, daß von den Nutzern alternativer Methoden neben dem Bedürfnis nach Linderung körperlicher Symptome, weitere Motive genannt werden, die implizit oder explizit mit Persönlichkeitsveränderung und Bewußtseinserweiterung verbunden sind. Die akademische Medizin und Psychologie und andere professionelle Heildisziplinen sollten diese Bedürfnisse nach "Lebensbewältigung" stärker berücksichtigen. Dies hätte Folgen für die Lehre, Forschung und Praxis der angesprochenen Gebiete, wo sichergestellt werden müßte, daß existentielle Fragen und Probleme, die viele Klienten bewegen, in die professionelle Behandlung integriert werden.
Auch in Hinsicht auf die Beziehung zwischen Behandler und Klient und die Eigenverantwortlichkeit für den Gesundheitszustand liegen in diesem alternativen Bereich offensichtlich andere Muster vor, von denen im Zuge der Individualisierung von Lebensverhältnissen modernisierende Impulse ausgehen könnten.
Als besonders problematisch erscheint die eklektische Anwendung von Methodenmischungen im betrieblichen Raum. Zum einen können hier Zwangselemente auftreten, die aus den besonderen Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern resultieren, zum anderen machen gerade die Mischungen aus verschiedenen Methoden die Angebote undurchsichtiger und erschweren eine Einschätzung sowohl durch betriebliche Einkäufer als auch durch den einzelnen Betriebsangehörigen, der mit derartigen Maßnahmen konfrontiert wird.
Diese strukturell bestehenden Asymmetrien können durch die angespannte Arbeitsmarktlage und die bestehenden Tendenzen zur Verbetrieblichung von Weiterbildung weiter verstärkt werden. Die Problematik ist bisher in diesem Bereich arbeitsrechtlich noch nicht ausreichend geklärt.
3.5.5 Anregungen zur weiteren Forschung
Die wissenschaftliche Erforschung vieler Verfahren steht noch aus. Einige alternative Verfahren verschließen sich einer wissenschaftlichen Untersuchung, da sie über keinen standardisierten Methodenkanon verfügen.
Da die Beschäftigung mit der sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitspraktischen Bedeutung dieses gesetzlich nicht normierten Bereichs des Gesundheitswesens lange Zeit durch Vorurteile, Berufs- und Standesinteressen behindert wurde, ist es wünschenswert, diesen Bereich, der offenbar quantitativ und qualitativ nicht von nachrangiger Bedeutung ist, vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken.